Zwischen Innovation und Risiko
Agentic AI (AI – Artificial Intelligence, künstliche Intelligenz) wird viel diskutiert und ist einer der zentralen Zukunftstrends in der Customer Experience (CX) 2025. Die Diskussion geht vor allem darum, dass AI Agents autonom agieren können – also ohne menschliches Eingreifen und Kontrolle. Die wichtigsten Fragen in diesem Zusammenhang in der gesamten CX-Branche sind:
- Wie kann Sicherheit und Zuverlässigkeit bei Agentic AI gewährleistet werden?
- Was passiert, wenn diese Technologie ohne transparent nachvollziehbare Entscheidungen und ohne Überwachung durch den Menschen eingesetzt wird?
- Welche Risiken und ethischen Aspekte sind damit verbunden?
Antworten und Details, wie Agentic AI zuverlässig eingesetzt werden kann, gibt Kevin Filz, Director Customer Experience Transformation bei Foundever, in diesem Blogbeitrag.
Was ist Agentic AI?
Agentic AI steht für AI-gestützte agentenbasierte Systeme, die den Rahmen für AI Agents bilden. Diese können eigenständig handeln, Entscheidungen treffen und sich flexibel an verschiedene Situationen anpassen. Sie haben kein Bewusstsein und keine Empfindungen. Aber sie können selbstständig Situationen analysieren, bewerten und auf Basis festgelegter Parameter sowie gesammelter Erfahrungen geeignete Handlungsschritte ableiten. Dabei nutzen sie maschinelles Lernen, Natural Language Processing (NLP) und Automatisierungstechnologien.
Jedem dieser AI Agents kann eine eigene Aufgabe zugewiesen werden. Zusammen arbeiten alle AI Agents auf ein übergeordnetes Ziel hin.
Kevin Filz erklärt: „Man kann sich das so vorstellen wie ein autonomes oder teilautonomes Fahrzeug: Die Steuerung von Gaspedal, Schaltung, Lenkung, Navigation, Bremsen und das Erfassen der Verkehrslage sind jeweils eigenständige Aufgaben. Zusammengenommen erreichen sie ein Ziel – das Auto ohne menschliches Zutun zu bewegen.“
Wie unterscheidet sich Agentic AI von GenAI?
Die Gemeinsamkeit von Agentic AI und generativer AI (GenAI) besteht darin, dass beides auf denselben Technologien basiert – große Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs), natürliche Sprachverarbeitung (NLP) und maschinelles Lernen. Was sie unterscheidet, ist das, was sie mithilfe dieser Technologien erreichen.
Generative AI kann viel – etwa Texte, Bilder oder sogar Code erstellen; aber sie braucht menschliche Anweisungen (Prompts) dafür. Was GenAI erzeugt, basiert immer auf den Prompts und den Daten, mit denen das System trainiert wurde. GenAI ist reaktiv. Sie liefert dann ein Ergebnis, wenn sie dazu aufgefordert wird.
Agentic AI hingegen ist aktiv. Sie kann eigenständig Aufgaben ausführen (auch Inhalte generieren) und autonom handeln. Das bedeutet: AI Agents können Situationen selbst einschätzen und daraus Handlungen ableiten. Und sie können sich flexibel an Situationen anpassen. Beginnt ein AI Agent mit einer Aufgabe, lernt er während der Ausführung sowie aus Rückmeldungen anderer Quellen hinzu und passt seine Leistung im Laufe der Zeit entsprechend an.
Zudem handeln AI Agents zielorientiert. Sie können so eingesetzt werden, dass sie eigenständig den besten Weg ermitteln, um ihre Aufgabe zu erledigen – und diese dann reproduzieren, um ein optimales Ergebnis auch in großem Maßstab zu erzielen. Besonders hilfreich wird diese Fähigkeit, wenn mehrere AI Agents jeweils den besten Lösungsweg für ihre Teilaufgabe finden – und so gemeinsam ein übergeordnetes Ziel besonders effizient erreichen.
Was kann Agentic AI leisten?
1. Agentic Customer Experience
Agentic AI bietet enormes Potenzial, die Effizienz zu verbessern – über sämtliche Branchen hinweg. Deshalb überrascht es nicht, dass die Erwartungen an diese Technologie so groß sind. Das betrifft vor allem den Bereich Kundenservice und die Gestaltung von Kundenerlebnissen.
2. Mehr Personalisierung
AI Agents können – datenschutzkonform – auf bestehende Kundendaten zugreifen. Dies befähigt sie, maßgeschneiderte Empfehlungen geben und personalisierte Antworten auf Anfragen formulieren. So ermöglichen sie eine personalisierte CX. Zudem können Organisationen ihre Marketingkampagnen optimieren und noch stärker auf die individuellen Kundenbedürfnisse ausrichten.
3. Next-Level Self-Service
Aktuelle AI-Technologien haben bereits heute Self-Services mit Chat- und Voicebots auf ein neues Level gebracht. Agentic AI ermöglicht noch mehr: AI Agents können nicht nur Fragen beantworten, sondern auch komplexe Anliegen selbstständig lösen. Dazu zählen zum Beispiel Tickets erstellen oder Fälle autonom lösen und abschließen – ohne Weiterleitung an einen menschlichen Servicemitarbeitenden.
4. Erfolge im Outbound-Sales
Agentic AI hat die Fähigkeit, Informationen zu interpretieren. Deshalb kann sie so programmiert werden, dass sie eigenständig große Datenmengen durchforstet – zum Beispiel Datenbanken, CRM-Systeme, E-Mail-Verläufe oder andere Kommunikationskanäle. Dabei sucht sie gezielt nach Hinweisen auf mögliche neue Kundenkontakte oder Verkaufschancen. Diese Erkenntnisse kann sie dann an Vertriebsmitarbeitende weitergeben, die aktiv neue Kunden ansprechen (Outbound-Sales). Zusätzlich unterstützt Agentic AI das Sales-Team dabei, ihre Antworten auf Kundenfragen besser zu formulieren – und erhöht damit die Chancen, dass ein Abschluss tatsächlich zustande kommt.
5. Optimierte Abläufe
Die Fähigkeit der AI Agents, sich flexibel anzupassen und zielorientiert zu agieren, bedeutet auch, dass sie Arbeitsabläufe und den Einsatz von Ressourcen auf Basis aktueller Anforderungen optimieren können. Dies steigert Effizienz sowie Produktivität und ermöglicht es den Servicemitarbeitenden, sich auf komplexere Anliegen mit höherem Kundenwert zu konzentrieren. Zudem haben sie mehr Freiräume für Interaktionen, bei denen Einfühlungsvermögen gefragt ist.
6. Erhöhte Kapazität
Agentic AI kann Aufgaben sehr detailliert und präzise erledigen. Es können ganze Teams spezialisierter AI Agents zusammenarbeiten, um ein komplexes Projekt abzuwickeln, und die Servicemitarbeitenden unterstützen. So lassen sich personelle Engpässe ausgleichen und die Kapazitäten im Kundenservice erhöhen.
Welche Risiken und ethischen Fragen wirft Agentic AI auf?
Wie bei allen Formen und Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenz bringt auch Agentic AI Risiken und wichtige ethische Fragestellungen mit sich. Dazu zählen unter anderem:
1. Wer trägt die Verantwortung?
Eine der zentralen Herausforderungen ist die Frage nach der Verantwortung: Wenn die AI einen Fehler macht oder eine Entscheidung trifft, die Schaden verursacht – wer trägt die Verantwortung dafür?
2. Was passiert bei fehlerhaften Trainingsdaten?
Weitere Risiken entstehen im Zusammenhang mit den Trainingsdaten. Die Qualität der Eingabedaten bestimmt maßgeblich die Qualität der Ergebnisse. Wenn diese Daten Vorurteile enthalten oder unfair sind, kann die AI diese unbewusst übernehmen und ethisch nicht korrekte Antworten liefern. Da Agentic AI eigenständig Entscheidungen trifft, können die Folgen gravierend sein.
3. Wie geht man mit der Black Box um?
Ein bekanntes Problem, das auch bei anderen Arten von AI auftritt, ist die sogenannte Black Box. Das heißt, die Arbeitsweise der AI ist für Menschen oft nicht nachvollziehbar. Ohne Transparenz darüber, wie die AI zu einer bestimmten Entscheidung oder Handlung kommt, ist es schwierig bis unmöglich, diese nachzuvollziehen oder zu korrigieren. Dass AI nicht zu 100% durchschaubar ist, beeinträchtigt das Vertrauen in AI und kann eine Hürde sein, um AI großflächig einzusetzen.
4. Wie entsteht Vertrauen in AI beim Team?
Die Fähigkeit der AI, komplexe Aufgaben eigenständig auszuführen, sorgt für mehr Effizienz und Produktivität. Gleichzeitig verstärkt dies Ängste der Mitarbeitenden vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Unternehmen müssen deshalb von Anfang an klar kommunizieren, wie sie diese Technologie einsetzen wollen – und dass die AI das bestehende Serviceteam ergänzt, unterstützt und leistungsfähiger macht.
Wie werden Sicherheit und Zuverlässigkeit gewährleistet?
„Sicherheit und Zuverlässigkeit sind die zentralen Aspekte bei Agentic AI und zugleich die größte Sorge der Verantwortlichen in Unternehmen“, weiß Kevin Filz. „Und das ist auch gut so.“
Um herausragende Ergebnisse zu liefern, muss Agentic AI sicher gesteuert werden. Sie erfordert zudem robuste Sicherheitsmaßnahmen und muss allen relevanten Datenschutzanforderungen entsprechen.
„Ein Fehler im System oder eine Manipulation von außen könnte schnell großen finanziellen Schaden anrichten und Imageverlust bedeuten.“, führt Filz fort.
Deshalb ist es notwendig, frühzeitig ein umfassendes AI-Sicherheitskonzept zu entwickeln und die AI-Lösung kontinuierlich zu optimieren sowie an neue Anforderungen anzupassen.
Kevin Filz weiter: „Agentic AI wird sich nur dann durchsetzen, wenn sie sicher und zuverlässig funktioniert. Dafür braucht es kompetente Beratung, die richtigen Technologien und den passenden Partner, der beides bietet – und der eines im Mittelpunkt behält: den Menschen.“
Agentic AI kann nur verlässlich sein, wenn der Mensch die Kontrolle und Aufsicht hat. So arbeiten Mensch und AI perfekt im Team zusammen und es entsteht ein Vertrauensverhältnis – sowohl intern im Unternehmen als auch im Kontakt mit Kundinnen und Kunden.
Agentic AI einführen – Best Practice in 5 Stufen
Um das vollständige Potenzial von Agentic AI auszuschöpfen und gleichzeitig Risiken zu minimieren, braucht es eine durchdachte Planung. Dies ist die Basis für den verantwortungsvollen und effektiven Einsatz von AI Agents in der CX. Dafür hat sich ein fünfstufiger Ansatz bewährt:
1. Mit einem überschaubaren Piloten klein anfangen
Stecken Sie als erstes den Rahmen, in welchem Bereich, mit welchem Ziel und unter welchen Bedingungen Agentic AI eingesetzt werden soll. Suchen Sie sich dafür einen Use Case aus, der überschaubar sowie unabhängig von anderen Funktionen ist. Der Erfolg sollte sich gut mit einfachen KPIs messen lassen. Dies ist die Basis für ein Pilotprojekt, das schnell Ergebnisse liefert.
2. Team von Anfang an einbeziehen
Damit ein Pilotprojekt oder Proof of Concept (PoC) erfolgreich ist, braucht es die Unterstützung der gesamten Organisation. Holen Sie deshalb alle Beteiligten mit an Bord, noch bevor das Projekt startet. Kommunizieren Sie zudem intern offen, warum die AI-Lösung eingeführt wird und welche Vorteile sie bringt. Erklären Sie dem Team, dass es durch AI unterstützt (und nicht ersetzt) wird. Von Beginn an alle mitzunehmen ist eine wichtige Voraussetzung für den Projekterfolg.
3. Governance etablieren
Agentic AI muss nachvollziehbar sein – und ihre Entscheidungen müssen für Menschen verständlich bleiben. Deshalb sollten Maßnahmen eingeführt werden, die sicherstellen, dass Entscheidungsprozesse der Technologie analysiert, überwacht und reproduziert werden können. Ohne Transparenz entsteht kein Vertrauen in die Technologie. Mit zunehmender Projektreife muss diese Transparenz auch organisatorisch verankert werden: Es braucht Governance oder einen Lenkungsausschuss zur effektiven Steuerung und Überwachung der AI.
4. Alle Stakeholder einbinden
Nicht nur das interne Team sollte von vornherein aktiv eingebunden werden, sondern auch alle anderen relevanten Stakeholder. Dadurch fließen verschiedene Perspektiven und Erfahrungen ein – aus der Organisation selbst, von Kunden, aber auch von Aufsichtsbehörden. Das hilft, die Technologie so weiterzuentwickeln, dass sie praxistauglich, gesetzeskonform und zukunftsfähig ist. Gleichzeitig schafft der offene Austausch Vertrauen und stellt sicher, dass die Lösung den Anforderungen aller Beteiligten gerecht wird.
5. Mitarbeitende aus- und weiterbilden
Agentic AI war vor wenigen Monaten noch wenig bekannt, und vor zwei Jahren kannte kaum jemand ChatGPT. Die Technologien entwickeln sich sehr schnell weiter. Deshalb ist es wichtig, am Ball zu bleiben – durch kontinuierliche Aus- und Weiterbildung des Teams. AI ist nur dann nützlich, wenn die Mitarbeitenden mit den Tools richtig umgehen können und die Prozesse verstehen.
Agentic AI muss zuverlässig sein – und menschlich
Haben wir mit dem Aufkommen von ChatGPT noch darüber gesprochen, wie GenAI unsere Arbeitswelt verändern kann, sind wir mit Agentic AI bei der nächsten Entwicklungsstufe angelangt. Die Technologie ist innovativ und bietet großes Potenzial, die Kundenerlebnisse zu verbessern. Doch mit jeder Innovation entstehen neue Risiken. Unternehmen müssen genau wissen, wo sie Agentic AI einsetzen können, um einen Mehrwert zu schaffen. Und sie müssen sich sicher sein können, dass ihre AI Agents zuverlässig funktionieren. Deshalb ist Sicherheit das zentrale Erfolgskriterium.
Kevin Filz betont abschließend: „Wer versteht, was Agentic AI leisten kann, versteht zugleich: Der Mensch bleibt unersetzlich und steht im Mittelpunkt. AI alleine kann erst einmal gar nichts. Nur durch den Menschen entfaltet die Technologie ihr volles Potenzial.“
Agentic AI wird die Customer Experience in Zukunft maßgeblich prägen. Wie die Technologie die CX schon heute verändert, beleuchtet unser Report „CX Trends 2025: Vom Buzzword zum Business Case“.
Mehr zum Thema Sicherheit in der CX erfahren Sie in unserem Whitepaper: „Ihre Customer Experience sichern: So finden Sie den idealen CX-Partner und schützen sich vor steigenden Cyber-Bedrohungen“
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